9.1.4 Mikrobiologie der Haut

Definition

Mikroorganismen der Haut gehören zum mikrobiellen Ökosystem des Menschen. Die Bezeichnungen «Mikrobiota” (Mikroorganismen) und “Mikrobiom” (einschliesslich genetischen Materials) sind austauschbar.

Entwicklung

Das Mikrobiom der Haut umfasst Mikroorganismen, die in oder auf der Haut leben, einschliesslich Bakterien, Pilze und Viren. Es ist abhängig vom Alter, Umgebungsfaktoren (Höhe ü.M., Breitengrad, Kleidung, Hautfeuchtigkeit, pH, Talgdrüsenaktivität), Hygiene, Stress, Ernährungszustand, Exposition gegenüber schützenden oder schädigenden Externa, UV-Licht, Antibiotika, Immunsystem, genetischen oder epigenetischen Faktoren und zahlreichen weiteren Einflüssen.

 

Neugeborene

Im Gegensatz zum Erwachsenen gibt es keine anatomisch-lokalisatorische Unterschiede in der Zusammensetzung des Microbioms. Allerdings hat die Art der Entbindung einen Einfluss:

  • Natürliche Geburt:  Vaginal- Flora der Mutter: vor allem Lactobacilla
  • Kaiserschnitt:  Haut-Flora der Mutter: Staphylococci, Streptococci, Corynebacteria, und Cutibacteria

 

Dritte Woche bis zum dritten Lebensmonat

  • Lokalisations-spezifisches Bakterien-Besiedlungs-Profil, das sich aber immer noch von dem eines Erwachsenen unterscheidet. Kolonisation interfollikulär, intrafollikulär und akrosyringeal  
  • In der sechsten Lebenswoche: Staphylococcus und Corynebacterium
  • Im ersten Lebensmonat:  zunehmende Malassezia Kolonisation mit Angleichung an die Situation beim Erwachsenen 

Microbiom

Ein gesunder Erwachsener beherbergt 10 14 Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Viren und Milben); das ist das Zehnfache der Anzahl menschlicher Zellen. Ein Quadrat Zentimeter menschliche Haut kann bis zu 1 Billion Mikroorganismen beherbergen.

Immunologie

Die lokale oder systemische Immunreaktion hängt ab von der Anzahl kommensaler (schmarotzend aber nicht krankmachend) oder pathogener (krankmachend) Mikroben.

  • Kommensale Microben: homeostatische Balance mit dem Wirt  
  • Pathogene Mikroben: Störung ds kutanen “Ökosystems” und Induktion angeborener oder erworbener Abwehrmechanismen mit Aktivierung pro- oder antientzündlicher Mediatoren in Abhängigkeit vom Antigen.   Stress kann die Zusammensetung des Mikrobioms verändern
  • Intrazelluläre Schadstoffe stimulieren T Helfer (TH1)-Zellen, während extrazelluläre Schadstoffe (Antigene) die Differenzierung von TH2 und TH17 -Untergruppen induzieren

 

Am Ende der Embryonalzeit und nach der Geburt spielt die Vernix caseosa eine entscheidende Rolle bei der Ausbildung der innate (angeborenen) Immunität.

Krankheitsrisiken

Eine “Dysbiose” (Dysbakteriose) entsteht, wenn das «gesunde» Mikrobiom gestört wird, zum Beispiel durch Waschprozeduren, Feuchtigkeit, Kleidung, Antibiotika u.a. Es entwickeln sich Krankheitsbilder wie zum Beispiel Erythema toxicum neonatorum, oberflächliche Follikulitis, Körper – oder Fussschweiss, atopische Dermatitis, Akne und andere.

Beispiele primärer und skundärer Hauterkrankungen als Folge einer Störung des kutanen Mikrobioms

Im Allgemeinen unterscheidet man (1) primäre Hautinfektionen, (2) Hauterkrankungen mit sekundärer Superinfektion (Impetiginisation) und (3) Hauterkrankungen, deren Verlauf durch eine Keimbesiedlung verschlechtert wird. 

 

Erythema toxicum neonatorum

Fleckige Erytheme, Papeln und Pusteln bei Neugeborenen; selbstlimitierend. Vermutlich durch Besiedlung der Follikel durch Kokken.

 

Oberflächliche und tiefe Follikulitis

Vermehrung von Staphylokokken im Follikel. Oberflächliche Pusteln; infiltrierte Läsionen entwickeln Papeln, schliesslich Bildung von Abszessen, Furunkeln und Karbunkeln.

 

Impetigo contagiosa

Meist in der ersten Lebensdekade. Durch Streptokokken oder Staphylokokken hervorgerufene hoch infektiöse, intrafollikuläre Infektion der Epidermis. Zur Therapie sollten anstelle von Antibiotika besser Desinfektionsmittel und antimikrobiell wirksame Externa zum Einsatz kommen.

 

Pityriasis versicolor

Häufige, weltweit vorkommende oberflächliche Infektion mit Malassezia furfur species. Asymptomatische schuppende Flecken mit Hyperpigmentierung (Winter) oder Depigmentierung (Sommer). Seborrhische Dermatitis wird durch M. furfur getriggert. Hitze, Feuchtigkeit, enge Kleidung, vermehrtes Schwitzen, Immunsuppression, Unterernährung, Schwangerschaft, Cushing Syndrom sind präzipitierende Faktoren. Wood-Lampe (UVA) zur Diagnose.

 

Atopic Dermatitis (AD)

Barrierefunktion und mikrobielle Besiedlung sind wichtige pathogenetische Faktoren der AD.

Bei 70% der Patienten mit AD lassen sich Staphylococcus aureus in den Läsionen nachweisen. Frühe Exposition gegenüber Staphylococcus kann die Entwicklung einer AD verhindern (adaptive Immunantwort). AD Patienten sind vermehrt empfänglich für Herpes (Eczema herpeticatum) oder Infektionen mit Malassezia.

 

Akne

Akne vulgaris entwickelt sich in der präpubertären Phase im Talgdrüsen-Follikel-Apparat der Haut. Eine gesteigerte und veränderte Sebum-Produktion, Störung in der Differenzierung der follikulären Keratinozyten und die Freisetzung entzündungsfördernder Mediatoren sind die wichtigsten pathogenetischen Faktoren der Akne. In einem zweiten Schritt kommt es zu einer Kolonisierung mit Cutibacterium acnes, einem kommensalen Bakterium, das den Entzündungsprozess verstärkt. C. acnes produziert zahlreiche Enzyme, Proteinasen und Lipasen, die im Zusammenspiel die Zusammensetzung und Verteilung der Talg-Lipide beeinflussen und zur Freisetzung antimikrobieller und immunmodulatorischer Moleküle beitragen.  

 

Psoriasis

Die Psoriasis ist durch eine beschleunigte Produktion von Keratinozyten mit verstärkter Schuppung und Entzündung gekennzeichnet. Die gestörte Barriere Funktion der Epidermis führt zu einer Änderung und stärkeren Diversität der mikrobiellen Besiedlung (des Mikrobioms). Streptokokken aus dem Rachen- oder Nasenraum triggern den Ausbruch und den Verlauf einer Psoriasis.

Labor und weitere Untersuchungen

  • Abstriche, Skarifikation (Lepra), Extraktion von Follikelinhalt
  • Zyanoakrylat-Abriss
  • Wood Lampe (Malassecia)
  • Biopsie: Mykobakterien, tiefe Mykosen, Parasiten
  • Serologie, Kultur, PCR für weitere Differenzierung
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