8.6 Schwangerschafts Dermatosen

Grading & Level of Importance: B

ICD-11

JA65.1

Synonyme

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): Pruritische urtikarielle Papules und Plaques in der Schwangerschaft, pruritic eruption of pregnancy, toxemic rash of pregnancy.

 

Pemphigoid gestationis (PG): Gestational pemphigoid, Herpes gestationis.

 

Atopic eruption of pregnancy (AEP): Prurigo gestationis, papulöse Schwangerschafts-Dermatitis.

 

Pruriginöse Schwangerschafts-Folliculitis.  

 

Intrahepatic Schwangerschafts-Cholestase (ICP): Pruritus gravidarum, icterus gravidarum.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Impetigo herpetiformis.

Epidemiologie

Weltweites Auftreten. Bevorzugt bei Multipara und im letzten Trimenon der Schwangerschaft. Teilweise erhöhte Letalität beim Neugeborenen.

 

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): häufigste spezifische Schwangerschafts Dermatose. Inzidenz: 1:160 Schwangerschaften.

 

Pemphigoid gestationis (PG): 1 auf 40-50 000 Schwangerschaften. Assoziation mit Haplotypen HLA-DR3 und HLADR4. 

 

Pruriginöse Schwangerschafts-Folliculitis: Inzidenz 1:3000 Schwangerschaften.

 

Atopic eruption of pregnancy (AEP): stets verbunden mit einer atopischen Diathese.

 

Intrahepatic Schwangerschafts-Cholestase (ICP):  Familienvorgeschichte in > 50% der Patientinnen positiv.

Definition

Gruppe von Dermatosen, die in Abhängigkeit von diversen Faktoren in Verbindung mit einer Schwangerschaft auftreten.

Aetiologie & Pathogenese

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP):  Pathogenese unbekannt. 

 

Pemphigoid gestationis: Autoimmunreaktion gegen BP180 Antigen (bullöses Pemphigoid). Zirkulierende Komplement-bindende IgG Antikörper. Auslösung durch orale Kontrazeptiva oder prämenstruell.

 

Atopic eruption of pregnancy: Bei Patientinnen mit oder ohne atopische Diathese.

 

Pruritic folliculitis of pregnancy: unbekannt.

 

Intrahepatic Schwangerschafts-Cholestase (ICP) Keine primäre Dermatose, sondern Folge einer im Rahmen einer Schwangerschaft aufgetretenen Leberstoffwechselstörung mit sekundären Hautveränderungen, infolge Kratzen.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Die Impetigo herpetiformis ist eine besondere Erscheinungsform einer generalierten pustulösen Psoriasis in der Schwangerschaft.   

Symptome

Unterschiedlich je nach Diagnose. Hauterscheinungen treten üblicherweise im letzten Trimester der Schwangerschaft auf und verschwinden wieder nach der Entbindung. 

 

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): Polymorphe (verschiedene Effloreszenztypen) stark juckende, entzündliche Hautveränderungen: pruriginöse, papulo-urtikarielle, erythematöse Papeln und Plaques innerhalb oder am Rande von Striae gravidarum (Dehnungsstreifen); gelegentlich fleckförmig (makulös), papulo-vesikulär (ekzematös), urtikariell, schiessscheibenartig wie bei Erythema multiforme; annuläre oder polyzyklische Quaddeln; selten kleine Blasen, Exkoriationen und Krustenbildung.

  • Typischer Krankheitsbeginn: letztes Trimester der Schwangerschaft
  • Bevorzugte Lokalisation: Stamm und Extremitäten 

 

Pemphigoid gestationis (PG): Starker Juckreiz. Erythematöse urticarielle Papeln und Plaques. Weiterentwicklung zu Spannungsblasen.

  • Typischer Krankheitsbeginn: zweites oder drittes Trimester der Schwangerschaft
  • Bevorzugte Lokalisation: Stamm und Extremitäten, bevorzugt Abdomen (periumbilikal)

 

Atopic eruption of pregnancy (AEP): Generalisierte, ekzematöse Hautveränderungen bei Patienten mit atopischer Diathese.

  • Typischer Krankheitsbeginn: gesamte Schwangerschafts-Zeit
  • Lokalisation: klassische Prädilektionsstellen eines atopischen Ekzems

 

Prurigo of pregnancy: zerkratzte Papeln und Knoten

  • Typischer Krankheitsbeginn: Schwangerschaftsmitte
  • Bevorzugte Lokalisation: Stamm und Extremitäten

 

Pruritic folliculitis of pregnancy: Follikel-gebundene pustulöse und papulöse Reaktion.

  • Typischer Krankheitsbeginn: Schwangerschaftsmitte
  • Bevorzugte Lokalisation: Stamm und Extremitäten

 

Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP): Ausgedehnter Juckreiz. Keine primären Hautläsionen. Sekundäre Effloreszenzen durch Kratzen.

  • Typischer Krankheitsbeginn: letztes Trimester der Schwangerschaft
  • Bevorzugte Lokalisation: ausgedehnt an Stamm und Extremitäten

 

Pustulöse Psoriasis in der Schwangerschaft (PPP)/ Impetigo herpetiformis: Kleine oberflächliche Pusteln in herpetiformer Verteilung.

  • Typischer Krankheitsbeginn: letztes Trimester der Schwangerschaft
  • Bevorzugte Lokalisation: ausgedehnt an Stamm und Extremitäten; zentrifugale Ausbreitung 

Lokalisation

Siehe “Symptome”. Alle Varianten an Stamm und Extremitäten.

Klassifikation

Siehe “Symptome”.

Labor & Zusatzuntersuchungen

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): Routine Labor: normal.

 

Pemphigoid gestationis: Eosinophilie. HG-Faktor. Immunserology (BP180 Antigen).

 

Atopic eruption of pregnancy: Erhöhte IgE Serumspiegel.

 

Intrahepatische Schwangerschafts-holestase (ICP): Erhöhung des Gallensäure-Spiegels. Grenzwertige Leberfunktionsteste (ALT, GGT, Hyperbilirubinämie). 

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Leukozytose mit Neutrophilie, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, Hypoalbuminämie, Eisenmangel-Anämie.  Die Pusteln sind steril.

Dermatopathologie

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): unspezifische histologische Veränderungen: Spongiose, Ödem im Stratum papillare; perivaskuläre lymphohistiozytäres Infiltrat, gelegentlich eosinophile Granuluzyten; DIF und IIF negativ. 

 

Pemphigoid gestations: 

  • Präbullöses Stadium: Perivaskuläres entzündliches Infiltrat aus Lymphozyten, Histiozyten und Eosinophilen. Spongiose und fokale epidermale Nekrose.
  • Bullöses Stadium: Subepidermale Blasenbildung.

 

Direkte Immunofluoreszenz (IF): Lineare Ablagerung von C3 in der Basalmembranzone.

 

Indirekte Immunofluoreszenz/ELISA: Zirkulierende IgG Antikörper (BP180).

 

Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP): unspezifische Veränderungen. DIF und IIF: negativ.

 

Atopic eruption of pregnancy: entspricht dem bei atopischer Dermatitis; direkte Immunofluoreszenz: negativ.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Subcorneale spongiforme Puseln, entsprechend Psoriasis pustulosa.

Verlauf

Die meisten Schwangerschaftsdermatosen bilden sich nach der Entbindung zurück.

 

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): Rückbildung innerhalb 4-6 Wochen.

 

Pemphigoid gestationis: selbstlimitierend. Spontane Rückbildung Wochen bis Monate nach der Entbindung. Rückfallneigung bei nachfolgenden Schwangerschaften; üblicherweise mit früherem Beginne und schwererem Verlauf.

 

Rückfallneigung bei nachfolgenden Schwangerschaften für atopisches Ekzem, Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP) und Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis

Diagnose

Klinisches und histopathologisches Bild in Verbindung mit Immunfluoreszenz-Untersuchungen (DIF/IIF), die besonders für die Abgrenzung des Pemphigoid gestationis von anderen bullösen Erkrankungen wichtig sind. Zeitpunkt des Auftretens in der Schwangerschaft.

Differentialdiagnosen

Verschiedene Dermatosen, die unabhängig im Verlaufe einer Schwangerschaft auftreten können.

 

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP): präbullöses Pemphigoid gestationis; Arzneiexantheme; allergische Kontaktdermatitis; Erythema multiforme; Skabies.

 

Pemphigoid gestationis: 

  • Präbullöses Stadium: Polymorphic eruption of pregnancy (PEP) 
  • Bullöses Stadium: andere autoimmunbullöse Dermatosen; bullöse Arzneiexantheme; allergische Kontaktdermatitis 

 

Atopic eruption of pregnancy: juckende Dermatosen; Arzneiexanthem; Arthropodenreaktion (Skabies).

 

Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP): verschiedene interne Erkrankungen mit Juckreiz ohne ursächliche primäre Hautveränderungen.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: autoimmunbullöse Dermatosen; akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP).

Therapie & Prävention

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP):  symptomatische Therapie.

 

Pemphigoid gestationis: Potente topische Glukokortikosteroide; systemische Glukokortikosteroide zur Kontrolle der Blaseneruptionen mit langsamer Reduktion auf die niedrigste erforderlich Dosis; Immunosuppressive Therapie frühestens nach der Entbindung.  

 

Atopic eruption of pregnancy: Mittelstarke topische Glukokortikosteroide und Antihistminika. Salben mit antipruriginösen Additiva wie Menthol oder Polidocanol.

 

Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP): Antipruriginöse Therapie: Ursodeoxycholin Säure, Cholestyramine, Antihistamine (nicht-sedierend), Anionenaustauscher Resin.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Infusionen mit TNF alpha Blocker, Systemic Glukokortikosteroide, Ciclosporin. Nach der Entbindung kommen auch andere bewährte Psoriasis Therapeutika zum Einsatz: PUVA, orale Retinoide.  Im Falle einer sekundären Hautinfektion kommen auch antibakterielle Medikamente zur Anwendung. 

Spezielles

Zusammenarbeit: mit Gynäkologen Geburtshelfern und anderen Disziplinen (Endokrinologie; Neugeborenen-Pädiatrie).

 

Kindliche Prognose: Pemphigoid gestationis, Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP), Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: erhöhtes Risiko einer frühgeburtlichen Notfallsitation (22–33%) und von Missbildungen.

Komplicationen und Prognose

Polymorphic eruption of pregnancy (PEP) und atopische Schwangerschaftsdermatitis: Die kindliche und die mütterliche Prognose ist in den meisten Fällen exzellent.

 

Pemphigoid gestationis, Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP) und Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis sind mit erheblichen fetalen Komplikationen und Notfällen bis zu Totgeburten verbunden. 

 

Intrahepatische Schwangerschafts-Cholestase (ICP): Erhöhtes Risiko von Hämorrhagien während und nach der Geburt.

 

Pustulöse Schwangerschafts-Psoriasis: Hypokalzämie, Lymphadenopathie, Unwohlsein, Dehydrierung.

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